Visita del primo ministro turco a Berlino, in occasione dell’apertura di una nuova ambasciata, la maggiore ambasciata in Germania
– Temi discussi:
o 1. questione entrata nella UE: Berlino chiede alla Turchia l’impegno ad accelerare riforme di adeguamento agli standard UE.
o 2. Questione siriana.
– Negli ultimi anni la Turchia è andata sviluppando una prospettiva strategica indipendente dall’Europa (secondo gli esperti),
o La Turchia si sente abbastanza forte da poter rinunciare ad entrare nella UE, per due motivi: persistente e forte sviluppo economico; profondi cambiamenti nel sistema di potere interno. Questo ha portato ad una sospensione del procedimento di entrata in Europa,
o e al rifiuto di Ankara di sottomettersi alle pretese UE.
– Il tradizionale orientamento delle vecchie elite turche, controllate dai militari, era filo-occidentale,
– per questo le capitali UE pensavano di poter tenere a bada Ankara, non avendo la Turchia altra opzione che l’Europa, e di poterle imporre in toto le regole UE.
– Ankara ha reagito irritata al recente rapporto negativo della UE sui progressi turchi per l’ingresso nella UE (da buttare nella spazzatura, secondo un influente rappresentante del partito di Erdogan AKP).
– Le profonde modificazioni nei rapporti di potere interni:
o Dagli anni Novanta forte sviluppo di centri economici in Anatolia
o accompagnato dalla veloce ascesa di nuove elite conservatrici, rappresentate dal partito AKP, salito al potere con Erdogan nel 2002,
o che sono riuscite a imporsi sulle vecchie elite militari e estrometterle gradualmente.
– Questo ha importanti riflessi sulla politica estera turca, basata su nuove fondamenta, definite dalla parola d’ordine “profondità strategica”, formulata dal ministro Esteri, Davutoglu:
o la Turchia non deve più essere legata unilateralmente all’Occidente,
o deve andare sempre più alla ricerca di mercati nel Sud-Est Europa e nei paesi arabi.
o Da qui nuovi sforzi di influenza, soprattutto in Nord Africa e MO.
– La nuova strategia non è ancora del tutto funzionante:
o problemi soprattutto per la guerra civile in Siria, che ha fermato le esportazioni turche e bloccato i tentativi di influenza.
– Anche per questo la Turchia ha intensificato la cooperazione con gli Usa (guastata in particolare dalle tensioni sulla guerra irachena del 2003) in appoggio alle milizie ribelli siriane per abbattere il regime di Assad e riacquistare influenza nel paese.
o La Turchia serve da base ai servizi segreti occidentali in appoggio ai ribelli siriani, e a varie milizie, anche islamiste.
– La questione siriana è all’OdG dell’incontro odierno Merkel-Erdogan perché anche la Germania partecipa alle attività turco-americane per abbattere Assad.
o Mentre sta aggiustandosi la cooperazione Turchia-USA, con forte caratterizzazione militare, non altrettanto quella con la UE.
– La Fondazione tedesca SWP: si rileva una collisione diretta di interessi UE-Turchia in diverse regioni,
o sulla questione di Cipro;
o sull’influenza nei paesi arabi in Nord Africa, in concorrenza con la Francia.
o Sollecita il consolidamento delle relazioni tramite la cooperazione economica;
o per la Turchia la UE sta perdendo anche importanza economica, a favore dei mercati regionali;
o questo non vale finora per le relazioni economiche con la Germania, che è il suo maggior partner commerciale, sia per l’export che per l’import;
o Importanti anche gli investimenti tedeschi: i gruppi di industria e servizi con partecipazione estera contribuiscono per il 15,4% al PIL complessivo turco; il 17,4% di questa quota è rappresentata da gruppi tedeschi (agenzia statistica turca Türkiye Istatistik Kurumu)
– Alla Turchia si presentano altre opzioni di alleanza oltre l’Europa,
al recente congresso del partito AKP (fine sett. 2012) sono giunti rappresentanti politici da Irak, Sudan e Pakistan, per l’Europa soprattutto musulmani dalla Bosnia e dalla regione islamica serba di Sandzak. Nessun politico europeo di peso, se non l’ex cancelliere tedesco Schröder come rappresentante di Gazprom.
(Eigener Bericht) – Anlässlich des Deutschland-Aufenthalts des türkischen Ministerpräsidenten verlangt Berlin die energische Anpassung der Türkei an die Standards der EU. Die Regierung in Ankara müsse "eine klare Ansage" machen, "dass die Türkei am Reformkurs in Richtung EU festhält und diesen mit neuem Schwung versehen will", forderte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), am gestrigen Dienstag. Recep Tayyip Erdoğan hat gestern im Beisein des deutschen Außenministers die neue Berliner Botschaft seines Landes eröffnet und trifft an diesem Mittwoch die deutsche Kanzlerin. In ihren Gesprächen werde es um die "europäische Perspektive" Ankaras gehen, also um die Frage eines EU-Beitritts;
– auch werde man sich über den syrischen Bürgerkrieg austauschen, ist in Regierungskreisen zu hören. Außenpolitik-Experten weisen darauf hin, dass die Türkei in den letzten Jahren begonnen hat, eine eigene strategische Perspektive unabhängig von Europa zu entwickeln. Grundlagen sind ein anhaltender Wirtschaftsboom sowie damit zusammenhängende tiefgreifende Umwälzungen im inneren Machtgefüge des Landes. Beides führt dazu, dass Ankara sich heute stark genug fühlt, auf den EU-Beitritt zu verzichten.
– Anlass für die deutschen Forderungen, die Türkei müsse ihre Anpassung an die EU beschleunigen, sind Stockungen im EU-Beitrittsprozess des Landes. Lange war man in Berlin wie auch in weiteren europäischen Hauptstädten davon ausgegangen, dass man Ankara hinhalten könne – von einem EU-Beitritt der Türkei geht in Europa kaum jemand aus -, da dem Land "letztlich doch keine andere Option bleibe als eine Hinwendung nach Europa".[1] Hintergrund war die traditionelle Orientierung der alten, vom Militär dominierten türkischen Eliten, der zufolge Ankara sich an den Westen binden müsse. Aufgrund dieser als unveränderlich vorausgesetzten Orientierung hatten Berlin und Brüssel geglaubt, auch in der Türkei den sogenannten Beitrittsprozess exekutieren zu können; dieser besteht bekanntlich nicht in gleichberechtigten Verhandlungen über den künftigen modus vivendi, sondern in der schlichten Total-Übernahme des EU-Regelwerks ("Acquis Communautaire") durch den EU-Beitrittskandidaten.
– In der Tat stellt sich jedoch heraus, dass Ankara sich dem deutsch-europäischen Ansinnen verweigert. Für Aufsehen haben empörte Reaktionen aus der türkischen Regierungspartei auf den für Ankara recht negativen jüngsten EU-"Fortschrittsbericht" zu den Beitrittsverhandlungen gesorgt. Ein einflussreicher Politiker aus Erdoğans AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi) wetterte etwa in einem Fernsehinterview: "Dies ist ein Bericht, der in den Mülleimer geworfen werden sollte. Aber hier gibt es keinen Mülleimer, also werfe ich ihn auf den Boden."[2]
– Hintergrund für das Stocken des Beitrittsprozesses sind tiefgreifende Umwälzungen in der Türkei. In deren anatolischem Hinterland haben sich seit den 1990er Jahren boomende Wirtschaftszentren herausgebildet, deren Erstarken mit dem raschen Aufstieg einer neuen, traditionalistisch geprägten Elite einherging. Deren Partei, die AKP, stellt seit 2002 in Ankara die Regierung und hat es seither geschafft, sich nicht nur gegen die alte militärische Elite zu behaupten, sondern diese sogar Schritt für Schritt zurückzudrängen.
– Der Vorgang besitzt grundlegende Bedeutung für die außenpolitische Orientierung der Türkei. Denn die neue anatolische Elite hat nicht nur einen Wirtschaftsboom von gewaltigen Ausmaßen angestoßen, der das Land binnen weniger Jahrzehnte unter die zehn größten Volkswirtschaften der Welt befördern könnte.[3] Sie hat zudem ein neues Grundkonzept türkischer Außenpolitik hervorgebracht, das der heutige Außenminister Ahmet Davutoğlu unter der Losung "Strategische Tiefe" ausformuliert hat.
Es sieht vor, dass Ankara sich nicht mehr einseitig an den Westen bindet, sondern seine Absatzmärkte zunehmend in den Ländern Südosteuropas sowie der arabischen Welt sucht. Damit einher geht ein neues Einflussstreben vor allem in Nordafrika und in Nah- und Mittelost (german-foreign-policy.com berichtete ausführlich [4]).
Wie deutsche Außenpolitik-Experten feststellen, läuft das neue außenpolitische Konzept zur Zeit nicht wirklich rund.
– Auf Probleme stößt Ankara vor allem in Syrien, weil der dortige Bürgerkrieg türkische Exporte gestoppt und türkische Einflussbemühungen ausgeschaltet hat. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Türkei begonnen, ihre Zusammenarbeit mit den USA, die insbesondere unter dem Streit um den Irak-Krieg 2003 stark gelitten hatte, wieder zu intensivieren.
– Ankara arbeitet bei der Unterstützung für syrische Rebellenmilizen eng mit Washington zusammen und kämpft für den raschen Sturz des Assad-Regimes, um wieder Einfluss auf den südlichen Nachbarstaat zu gewinnen. Türkisches Territorium dient dabei nicht nur als Basis für Spionage-Aktivitäten westlicher Dienste zugunsten der syrischen Aufständischen [5], es wird auch von – teils islamistischen – Milizen als Aufmarschgebiet genutzt.
– An den amerikanisch-türkischen Aktivitäten zum Sturz Assads beteiligt sich auch die Bundesrepublik; daher ist der Bürgerkrieg in Syrien ebenfalls Gegenstand der heutigen Gespräche zwischen Merkel und Erdoğan.
– Während sich die – stark militärpolitisch geprägte – Kooperation zwischen Ankara und Washington inzwischen wieder einzurenken beginnt, gilt das nicht für die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der EU.
– Wie es in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt, sei nicht nur eine unmittelbare Interessenkollision in gleich mehreren Regionen zu konstatieren: So verträten die EU und die Türkei nicht nur diametral entgegengesetzte Positionen in der für Ankara strategisch wichtigen Zypern-Frage;
– auch seien die türkischen Bemühungen um einen stärkeren Einfluss in der arabischen Welt nicht mit französischen Ansprüchen in Nordafrika vereinbar.[6]
– Da sich für Ankara zudem neue Optionen jenseits Europas ergäben, sei die türkische Regierung auf die Annäherung an die EU nicht mehr zwingend angewiesen. Medienberichte verweisen auf den jüngsten Parteitag der AKP Ende September: "Aus dem Irak, Sudan oder Pakistan kamen die Gäste, aus Europa vor allem muslimische Politiker aus Bosnien und dem islamisch geprägten serbischen Sandžak."
Aus der EU seien keine führenden Persönlichkeiten gekommen; der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder sei als "Gazprom-Vertreter" zugegen gewesen. Es sei "allzu deutlich", heißt es dazu, "dass die Türkei außenpolitisch eher gen Südosten denn nach Nordosten blickt".[7]
– Die SWP plädiert dafür, die Bindungen der Türkei an die EU durch ökonomische Zusammenarbeit wieder zu konsolidieren: "Das stärkste nach wie vor verbindende Element und das Korrektiv gegen eine weitere Verschlechterung der Beziehungen ist der wirtschaftliche und technische Austausch mit Europa."[8]
– Allerdings schwinde aus türkischer Sicht auch die ökonomische Bedeutung der EU "im Verhältnis zu den neu aufstrebenden Mächten und zugunsten der Märkte der Region".
– Doch gilt das bislang nicht für die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen. So ist Deutschland nicht nur der – bei Exporten und Importen gleichermaßen – wichtigste Handelsparnter der Türkei, sondern auch ein herausragender Investor: Wie aus einer aktuellen Untersuchung des Statistikamtes TÜIK (Türkiye Istatistik Kurumu) hervorgeht, sorgten Industrie- und Dienstleistungsunternehmen mit ausländischer Beteiligung zuletzt für 15,4 Prozent der gesamten türkischen Wirtschaftsleistung; der Großteil davon – 17,1 Prozent – kam aus Deutschland.[9] Angesichts dessen weisen Beobachter darauf hin, dass die gestern eröffnete neue türkische Botschaft in Berlin die größte Auslandsvertretung des Landes ist – ein Symbol dafür, dass Ankara trotz aller Schwierigkeiten mit der EU erheblichen Wert auf stabile Beziehungen zur europäischen Zentralmacht Deutschland legt.
[1] Günter Seufert: Außenpolitik und Selbstverständnis. Die gesellschaftliche Fundierung von Strategiewechseln in der Türkei, SWP-Studie S 11, Juni 2012
[2] Erdogans Botschaft; Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.10.2012
[4] s. dazu Die neuen Partner in Ankara (I) und Die neuen Partner in Ankara (II)
[6] Günter Seufert: Außenpolitik und Selbstverständnis. Die gesellschaftliche Fundierung von Strategiewechseln in der Türkei, SWP-Studie S 11, Juni 2012
[7] Erdogans Botschaft; Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.10.2012
[8] Günter Seufert: Außenpolitik und Selbstverständnis. Die gesellschaftliche Fundierung von Strategiewechseln in der Türkei, SWP-Studie S 11, Juni 2012
[9] Deutsche Wirtschaft engagiert sich stark in der Türkei; www.gtai.de 15.10.2012
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